„Wir sind in zwei Jahren in ganz Europa“

Amanda Maiwald und Antonia Schein, Gewinnerinnen des Digital Female Leader Awards in der Kategorie Entrepreneurship erklären im Interview, wie sie Kindern Programmieren beibringen wollen – und wie sich dafür auch mehr Mädchen begeistern lassen könnten.

Dass sie bereits ein Jahr nach der Gründung von Codary den Digital Female Leader Award erhalten würden, damit haben Amanda Maiwald und Antonia Schein so gar nicht gerechnet. Doch die beiden Gründerinnen des Berliner Start-ups sind ehrgeizig, denken bereits an eine Expansion – und fordern, Informatik bereits in der Grundschule zu unterrichten. 

Schon mit sieben Jahren können Kinder über Codary Programmieren lernen, sind sie dafür nicht noch ein wenig zu jung? 

Amanda Maiwald: Sie sind zwar jung, aber nicht zu jung. In der Schule lernen sie in dem Alter bereits Rechnen und Schreiben. Programmieren ist unserer Meinung nach genauso wichtig, auch damit sollten sie früh anfangen. 

Antonia Schein: Bundeskanzlerin Merkel hat übrigens 2016 gesagt, dass Kinder in Zukunft in den Grundschulen auch Programmieren lernen sollten, passiert ist seitdem aber nichts. 

Warum sollte man Programmieren einen so hohen Stellenwert beimessen? Bisher kommt ein Großteil der Bevölkerung sehr gut ohne Programmierkenntnisse aus. 

Maiwald: Die Informatik prägt doch bereits seit Jahren unsere Gesellschaft. Viele benutzen täglich ihr Smartphone, ohne zu wissen, wie es wirklich funktioniert. Wir bringen Kindern Lesen und Schreiben früh bei, damit sie an der Gesellschaft teilnehmen können. Wir sind davon überzeugt: Wer keine Fähigkeiten in Informatik gewinnt, der kann die Gesellschaft bald nicht mehr mitgestalten. 

Dennoch: Ein Großteil der Menschen kommt ohne Informatikkenntnisse zurecht. Im Zweifelsfall suchen sie sich jemanden, der sie berät, genau so wie sie sich auch einen Steuerberater suchen.

Maiwald: Aber sie verstehen grundsätzlich, wie das Steuersystem funktioniert. Davon sind wir bei Informatik noch weit entfernt. Wir wollen mit Codary ja nicht jeden zum Full Stack Developer ausbilden. Aber Grundkenntnisse sollte unserer Meinung nach schon jeder entwickeln – und sei es, dass Mitarbeitende im Marketing versteht, wie die Tech Team arbeitet.

Die Kurse von Codary richten sich an bis zu 16-Jährige. Wie sind sie aufgebaut?

Schein: Erstmal sind sie an das Alter angepasst. Gerade Siebenjährige lernen die ersten Kenntnisse bei uns noch sehr spielerisch. In der Grundschule lernen sie ja auch noch keine komplizierten mathematischen Formeln. Das machen wir zum Beispiel anhand des unter Kindern sehr beliebten Spiels Minecraft. Hier lernen sie erste Ansätze, wie sich mit der Programmiersprache Python in Sekundenschnelle Gebäude bauen und die Spielwelt verändern lassen. Älteren bringen wir Python deutlich intensiver bei, denn das ist eine Programmiersprache, die im professionellen Kontext sehr beliebt ist. 

Wer unterrichtet in Ihrem Namen? 

Schein: Unsere Coaches sind allesamt Werkstudenten oder -studentinnen. Sie müssen nicht einmal unbedingt Informatik studieren, viele haben einen naturwissenschaftlichen und pädagogischen Hintergrund, studieren also auf Lehramt oder waren als Nachhilfelehrer aktiv. Wir prüfen vorab ihr Fachwissen und verlangen auch ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis, wie es etwa Sportvereine für ihre Trainer auch machen. Einmal die Woche treffen sich unsere Coaches mit den Kindern digital. Den Lehrplan bekommen sie von uns. 

Sie haben gemeinsam mit Nikolaj Bewer Codary im November vergangenen Jahres gegründet, wie viele Kinder haben bereits an den Kursen teilgenommen?

Maiwald: Wir sind aktuell bei fast 800 Kindern. Alle zwei Wochen starten neue Kurse. Wir haben zehn Coaches und sind, uns drei Gründer eingerechnet, nochmal zehn Leute in der Geschäftsstelle in Berlin. 

Sie wollen mit Ihrem Start-up auch Mädchen für das Programmieren begeistern. Wie ist zurzeit die Quote bei Ihren Kursen?

Schein: Auch wir haben, typisch für den Bereich Informatik, derzeit einen Überschuss an Jungs. Wir liegen wohl bei rund 70 Prozent zu 30 Prozent. Die Tendenz geht aber in die richtige Richtung, immer mehr Mädchen melden sich bei uns an. Wenn Eltern ihren Sohn bei uns anmelden, sprechen wir sie auch gerne darauf an, ob das nicht auch was für ihre Tochter wäre. Für junge Mädchen braucht es natürlich etwas andere Zugänge zu dem Thema, sie legen mehr Wert auf Kreativität. Aber auch solche Kurse bieten wir an. 

Wir erklären Sie sich, dass Informatik gerade im Studium eher bei Jungs gefragt ist?

Maiwald: Ich denke, dass Naturwissenschaften in Deutschland allgemein häufig Jungs zugeschrieben werden. Hinzu kommen Klischees, dass Mädchen kein Mathe könnten, erst recht keine Informatik. Das ist natürlich Unsinn. Wenn sich das aber einmal bei den eigenen Eltern und Lehrern festgesetzt hat – und wenn es nur unbewusst ist – dann schreckt das auch Mädchen ab. 

Wie ließe sich das ändern?

Schein: Informatik muss in den Grundschulunterricht, um auch Mädchen früh die Hemmschwelle zu nehmen!

Machen Sie mit dieser Forderung Ihr eigenes Start-up nicht überflüssig? 

Maiwald: Nein, es gibt ja auch Musikunterricht in der Schule und wer Gitarre lernen möchte, der geht dann doch noch zur Musikschule. Bei der Informatik ist es genauso: Die Schule vermittelt grundsätzliche Zusammenhänge, wir vertiefen das Ganze. 

Wo sehen Sie Ihr Start-up in zwei Jahren? 

Maiwald: Wir sind in zwei Jahren in ganz Europa relevant, uns ist es gelungen, Programmieren als cooles Hobby zu etablieren. Genauso wie es für viele Kinder Fußballspielen oder das Lernen eines Instrumentes ist. 

Für ein erst vor einem Jahr gegründetes Start-up mit derzeit zehn Coaches klingt das sehr ehrgeizig. Wie wollen Sie das schaffen? 

Schein: Wir hätten auch nicht gedacht, dass wir ein Jahr nach Gründung den Digital Female Leader Award gewinnen. Es geht alles wahnsinnig schnell und wir haben noch so viel vor: Nicht nur in Deutschland, sondern in vielen europäischen Ländern kommt die Informatik zu kurz Das wollen wir ändern!  Da unser Geschäftsmodell rein digital ist, erhoffen wir uns natürlich eine schnelle Expansion in Europa. Die erste Herausforderung dürfte erstmal sein, die Lehrpläne und unsere Lernplattform in die verschiedenen Landessprachen zu übersetzen.

Vielen Dank für das Gespräch.

Zu den Personen: Antonia Schein hat sich zum ersten Mal in Ihrer Schulzeit mit dem Programmieren beschäftigt. Damals brachte ihr ein eigentlich schon pensionierter Physiklehrer die Programmiersprache Pascal bei. Schein fand das damals eher abschreckend, mit einem guten Informatikunterricht hatte das ihrer Meinung nach nichts zu tun. Amanda Maiwald wollte schon zu Schulzeiten Programmieren lernen, machte aber auch dort schlechte Erfahrungen: Sie meldete sich für Informatik an, doch ihr Unterricht bestand nach ihren Aussagen im Wesentlichen darin, Word-Dateien abzutippen. Erst im Master hat sie das Thema so richtig wieder aufgenommen, als sie Wirtschaftsinformatik studiert hat – als eine der wenigen Frauen in ihrem Studiengang. 


FYI: English edition available

Hello my friend, have you been stranded on the German edition of Startbase? At least your browser tells us, that you do not speak German - so maybe you would like to switch to the English edition instead?

Go to English edition

FYI: Deutsche Edition verfügbar

Hallo mein Freund, du befindest dich auf der Englischen Edition der Startbase und laut deinem Browser sprichst du eigentlich auch Deutsch. Magst du die Sprache wechseln?

Deutsche Edition öffnen

Vielleicht auch interessant:

Ähnliche Beiträge