„Je höher man kommt, desto weniger Frauen gibt es“

Dana von der Heide ist Mitgründerin und Chief Commercial Officer des Logistik-Start-ups Parcel Perform – und Gewinnerin des Digital Female Leader Awards in der Kategorie Innovationen. Im Interview mit Startbase erklärt sie, wie sie den E-Commerce revolutionieren will und was sie für Pläne in den USA hat.

Dana von der Heide gründete ihr Start-up Parcel Perform gemeinsam mit ihrem Geschäftspartner Arne Jeroschewski in Singapur. Nun hat sich das Team einen zweiten Standort in Berlin aufgebaut, um dem boomenden Geschäft in Europa gerecht zu werden. Vor allem die Pandemie hat die Nachfrage nach Logistiklösungen im E-Commerce befeuert.

Frau von der Heide, Sie nennen sich selbst einen Technerd und sind damit ein rares Exemplar als Frau in der Logistikbranche. War der Weg für Sie als Gründerin schwer?

Vor allem in den Führungsetagen gibt es im Logistik-Bereich deutlich weniger Frauen als in der Tech Branche ohnehin schon. Ich habe vorher für ein großes Logistikunternehmen gearbeitet und bereits dort gemerkt: Je höher man kommt, desto weniger Frauen gibt es. Das wollte ich verändern und will es auch jetzt noch. Es ist schwer für Frauen den Weg in diese Industrie zu finden, deswegen will ich auch möglichst viel tun, um mit Parcel Perform auch viele Frauen für LogTech zu begeistern.

Was macht Sie nun anders, speziell für Frauen in Ihrem Unternehmen?

Wir haben nahezu 50 Prozent Frauen in allen Funktionen. Ich sehe mich da aber auch in der Vorbildfunktion, um zu zeigen, dass die Logistik keine männerdominierte Branche sein muss und man auch als Frau erfolgreich sein kann. Das Schöne: Durch den Boom von E-Commerce gibt es heute viel mehr junge Leute in der Branche, die sich mit diesem Thema beschäftigen und denen ein ausgewogenes Umfeld wichtig ist. Die Branche wird insgesamt jünger und diverser. Aber es gibt auch noch viel zu tun.

Viel zu tun hat ihr Unternehmen ohnehin. Sie sind in diesem Jahr erst wieder nach Berlin gezogen, nachdem Sie sechs Jahre in Asien gelebt haben. Warum?

Ich war in den letzten sechs Jahren in Singapur, weil mich das rasante Wachstum von Asien begeistert hat. Nach meinen ersten zwei Jahren habe ich dort auch meinen Mitgründer Arne Jeroschewski getroffen und wir haben beide gemerkt, dass dort der Bedarf für Transparenz in der Paketlogistik riesengroß ist. Da wir beide aus dem Umkreis von Berlin kommen und wir auch viele Kunden hier in Europa gewonnen haben, freuen wir uns natürlich auch in Europa weiter zu expandieren. Die Coronapandemie war ein guter Zeitpunkt für mich zurück zu ziehen und virtuell unsere globalen Teams zu managen. Und es gibt viel zu tun – E-Commerce ist in dieser Zeit noch einmal wichtiger geworden ist, wodurch wir umso stärker wachsen konnten.

Logistikunternehmen sind nun einmal keine Daten-first-Unternehmen.

Dana von der Heide, Gründerin Parcel Perform

Warum ist der Bedarf so groß?

Wenn man online einkauft, möchte man wissen, wo die Lieferung gerade ist und vor allem wann das Paket ankommt. Der Kunde möchte ja auch, dass das Paket verlässlich ankommt und er seinen Tag planen kann. Wenn gesagt wird, dass es fünf bis zehn Tage dauert, kaufen sie das Produkt vielleicht nicht. Zu wissen, wann genau die Bestellung einen erreicht, beeinflusst also den Entscheidungsprozess jedes Online-Shoppers. Das Problem: Über die mehr als 700 verschiedene Logistiker, die wir integrieren, geben nur fünf Prozent an, wann ihr Paket überhaupt ankommt. Und diejenigen, die es angeben, liegen sogar oft noch falsch.

Woran liegt das Ihrer Meinung nach? 

Logistikunternehmen sind nun einmal keine Daten-first-Unternehmen. Sie konzentrieren sich auf die Auslieferung, aber haben wenig Teams, die die Lieferdaten strukturiert auswerten, obwohl sie die Daten haben. Zum Beispiel sagen sie: Es dauert drei bis fünf Tage. Sie nutzen dafür nicht, wie wir, Machine Learning, um die Vorhersage zu ersetzen. Wir wollen deutlich genauere Prognose geben und das geht nicht mit regelbasierter Planung, schon gar nicht in Zeiten von Corona.

Wie funktioniert das stattdessen?

Wir aggregieren die Tracking-Daten von Hunderten Logistik-Dienstleistern und standardisieren sie, um sie dann interpretieren zu können und für die genaue Prognose des Ankunftsdatums nutzen zu können. Diese Vorhersage binden wir als Datenpunkt dann in die Trackingseite des Händlers an und der nutzt diese als hilfreiche Information um mit dem Kunden zu kommunizieren. So muss der Verbraucher nicht zum Logistikanbieter wechseln, sondern kann bequem von seinem Schreibtisch und auf der Seite des Webshops sehen, wann sein Paket ankommt.

Digital Female Leader Award: Das sind die Gewinnerinnen
NewsDigital Female Leader Award: Das sind die GewinnerinnenGleich 20 Frauen können sich in den nächsten Wochen über die Auszeichnung freuen: Zwischen dem 8. und 25. November 2021 wird sie in neun deutschen Metropolregionen verliehen. Startbase stellt die Preisträgerinnen vor.

Sie verdienen Ihr Geld mit Händlern wie Waterdrop, every Foods, Snocks und vielen wachsenden anderen Marken. Also denen, die eigentlich auf der anderen Seite stehen. Warum haben die ein Interesse an dem Thema? 

Weil sie daran interessiert sind, den Kunden auf ihrer Seite zu halten. Die Tracking-Updates der Logistiker sind für viele Kunden mitunter sehr undurchsichtig. Wenn ihr Paket nicht ankommt, rufen sie meistens zuerst dort an, wo sie bestellt haben, also dem Online-Händler. Der kann jedoch oft nicht helfen. Das irritiert den Kunden und führt aus Marketingsicht zu einer Störung des Einkauferlebnisses. Außerdem bietet die genaue Vorhersage zum Ankunftsdatum eines Paketes einen wunderbaren Kontaktpunkt zum Kunden, der solche Mails häufig liest und Vertrauen zum Shop aufbaut.


Aber man kann sich ja nicht um alles kümmern, wenn es nicht in den eigenen Zuständigkeitsbereich fällt.

Wichtig ist: Der Kunde möchte in einer Situation, in der er nicht weiß, wo seine Lieferung ist, nicht alleingelassen werden. Zuständigkeiten sollten nicht hin- und hergeschoben werden. Vor allem dann nicht, wenn es Probleme bei der Zustellung gibt. Dann müssen auch die Händler schnell und unkompliziert helfen können, dafür brauchen Sie die richtigen Daten.

Und das geht durch Parcel Perform?

Wir wollen damit erreichen, eine völlig abgeschlossene Einkaufserfahrung zu bieten. Denn davon profitieren alle Seiten. Der Händler gewinnt die Loyalität des Kunden. Der Kunde ist direkt informiert und der Lieferant hat auch weniger Arbeit. Wir sind nur die stillen Vermittler. 

Wir wollen aber nicht nur weiter expandieren, sondern für alle auch eine gute Work-Life-Balance schaffen und in der Zeitzone unserer Kunden agieren.

Dana von der Heide, Gründerin Parcel Perform

Zu Ihren größten Kunden gehören unter anderem die Online-Versandhändler Zalando und Wayfair. Haben Sie Sorge, dass durch den Marktboom bald viel Konkurrenz kommen könnte?

Wir sehen wachsende Konkurrenz, aber das bereitet uns keine Sorge. Es zeigt, dass es ein unglaubliches Marktpotenzial gibt. Da immer mehr Pakete verschickt werden, brauchen wir ja auch immer bessere Lösungen. Dadurch, dass wir aber schon vor sechs Jahren angefangen haben und Daten im Mittelpunkt unseres Angebotes standen, ist unser Machine Learning sehr weit entwickelt.

Deshalb geht es für Ihr Unternehmen vielleicht sogar bald in die USA. Was haben Sie vor?

Es wäre schön, wenn das klappt. Vor allem, um für einige Mitarbeiter ein Büro in den USA zu haben. Unsere Arbeit ist ohnehin global. Für Kunden wie Nespresso beispielsweise müssen wir gleichzeitig mehrere Länder über alle Kontinente hinweg betreuen. Wir wollen aber nicht nur weiter expandieren, sondern für alle auch eine gute Work-Life-Balance schaffen und in der Zeitzone unserer Kunden agieren. Zukünftig werden wir nicht nur unser Angebot zum Tracking ausbauen, sondern auch weiter in Machine Learning und Retouren Prozesse investieren.

Vielen Dank für das Gespräch.

zur Person: Dana von der Heide, 30, hat Kommunikations- und Politikwissenschaft sowie Psychologie studiert. Sie selbst bezeichnet sich als „Tech-Nerd“, weil Logistik ihre große Leidenschaft ist. In ihrem Podcast mit dem Namen „The Logistics Tribe“ spricht sie über den globalen Logistikmarkt und Lieferkettenmanagement. Lange Zeit lebte sie in Singapur, wo sie auch Parcel Perform gründete.


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