So soll die erste wirklich nachhaltige Versicherung Deutschlands entstehen

Das Start-up Verde geht einen extremen Weg, um so nachhaltig wie möglich zu sein. Das macht das Wachstum nicht gerade leicht.

Die meisten Start-ups brauchen heutzutage nicht viel, außer Schweiß, Liebe und viele Zeilen Programmcode. Manchmal reichen sogar nur sechs Zeilen, wie etwa beim Fintech Stripe, das damit zu einer Multi-Milliarden-Bewertung kam, um den ganz großen Sprung in kurzer Zeit zu schaffen. 

Die Macherinnen und Macher von Verde aus München haben es da deutlich schwieriger.Das große Ziel des 2017 gegründeten Start-ups, das heute aus sechs festen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern besteht, ist es, die erste nachhaltige Versicherung Deutschlands zu werden. „Nachhaltige Banken und nachhaltiges Investieren wird immer normaler, nur bei den Versicherungen gibt es das noch gar nicht”, sagt Elena Sulzbeck, die im Team sowohl die Assistentin der Chefin als auch Pressesprecherin ist.

Dafür braucht es aber mehr als nur Programmzeilen. Die Aufsicht Bafin verlangt von Verde, für eine Lizenz 3,5 Millionen Euro vorzuhalten, was an sich schon eine große Summe ist. Verde aber besteht darauf, keinen großen Investor an Bord zu holen, will die Versicherung stattdessen genossenschaftlich aufziehen und nachhaltig wachsen. 1,1 Millionen Euro haben sie schon zusammen, 2,4 Millionen Euro fehlen noch – und das nur, um überhaupt starten zu dürfen. Dass die Anfangsphase bei so einem Start-up auch einmal vier Jahre oder mehr dauern kann, erklärt sich so schnell. 

2017 hat Marie-Luise Meinhold als Gründerin Verde gestartet, wobei man da unterscheiden muss. Denn es gibt sowohl eine Verde eG, also eine Genossenschaft, als auch eine Verde AG, also eine Aktiengesellschaft. Das merkwürdige Konstrukt erklärt sich daraus, dass Verde gerne möglichst viele Teilhaber haben will, was über eine Genossenschaft gut funktioniert. Allerdings dürfen Genossenschaften in Deutschland keine Versicherung betreiben, woraufhin die Verde AG entstand, deren Haupteigentümer nun wieder die Verde eG ist. „Alles ein bisschen kompliziert, aber anders geht es nicht, wenn wir eine genossenschaftliche Versicherung wollen“, sagt Sulzbeck. 

Elena Sulzbeck arbeitet bei Verde. (Foto: Verde)

Nach der Gründungsphase begann für Verde eine Zeit der Entdeckung. Vorbilder fehlten, da es noch keine wirklich nachhaltige Versicherung in Deutschland gab und so tasteten sie sich Stück für Stück vorwärts. Mittlerweile bieten sie eine Diebstahlabsicherung für Fahrräder an, um teilweise die Kosten bis zur Erteilung der nötigen Lizenzen zu tilgen. 

Wie ernst sie es mit der Nachhaltigkeit nehmen, ist schon im Kleinen erkennbar. Das Konto der Genossenschaft liegt bei der grünen GLS Bank, das Büro kommt größtenteils ohne Papier aus, zu Veranstaltungen reist das Team entweder per Fahrrad oder Zug. Die Verde eG gehört laut Hilfswerft zu den 222 nachhaltigsten Unternehmen in Deutschland. Die Genossenschaft lässt sich zudem gemeinwohlbilanzieren, womit Unternehmen testen können, wie gemeinwohlorientiert sie agieren. Verde schneidet dabei gut ab. 

Um final eine Haftpflicht- und eine Haushaltsversicherung anzubieten, braucht Verde  3,5 Millionen Euro auf der hohen Kante. Klassische Investoren will Verde dafür nicht an Bord holen, da diese sonst zu viel Einfluss auf die Entwicklung der noch jungen Firma nehmen könnten – und diese womöglich in eine nicht so nachhaltige Richtung lenken. Stattdessen wollen sie zum einen mehr Genossenschafterinnen und Genossenschafter begeistern, die sich ab 300 Euro einkaufen können. Zum anderen setzen sie seit einiger Zeit auf Genussrechte, die Interessierte erwerben sollen. 2,5 Prozent an Zinsen wollen sie pro Jahr zahlen, abhängig vom Gewinn – und dann bleibt natürlich die Frage, ob sie die Finanzierung überhaupt zusammenbekommen, um jemals als Bafin-lizenzierte Versicherung anbieten zu dürfen. 

„Wenn eine Versicherung funktioniert und gleichzeitig nachhaltig ist, glauben wir, ist das ein Marktvorteil“

Elena Sulzbeck, Verde

130 Genossenschaftsmitglieder zählt das Start-up aus München mittlerweile, dazu 1070 eingesparte Tonnen CO2 und 1,1 Millionen Euro, die bereits in nachhaltige Projekte investiert wurden. Dazu zählen beispielsweise Schulen oder Tramstrecken und nachhaltige Anleihen von Unternehmen oder Ländern. 

Sobald die Lizenz da ist, wollen sie bei Verde auf Haftpflicht- und Hausratversicherungen konzentrieren und den milliardenschweren Markt zumindest ein bisschen aufrollen. 50 Millionen Haushalte in Deutschland haben eine Hausratversicherung und Verde sieht darin großes Marktpotenzial. „Wenn eine Versicherung funktioniert und gleichzeitig nachhaltig ist, glauben wir, ist das ein Marktvorteil“, sagt Sulzbeck selbstbewusst. 

Das Geld, das die Kunden dann für ihre Versicherungen bei Verde einzahlen sollen, will das Team in nachhaltige Geldanlagen investieren, die gesellschaftlich und ökologisch eine positive Wirkung haben, erklärt Sulzbeck. Dafür wollen sie von vorneherein einzelne Branchen ausschließen, etwa Rüstung und Waffen, Kern- und Kohleenergie, Biozide, Pestizide, Massentierhaltung, Gentechnik oder auch Suchtmittel. 

Auch in Ländern, in denen Folter praktziert oder die Todesstrafe verhängt wird, investiert Verde eigenen Angaben zufolge grundsätzlich nicht. Darüber hinaus schauen sie sich die übrig gebliebenen Investments an und bewerten, wie nachhaltig die sind. Herangezogen werden dafür unter anderem externe Reports oder öffentliche Berichte. Ganz starr auf beispielsweise grüne Energie sind sie nicht festgelegt. Fehle es zum Beispiel an Wohnraum in Städten, sei auch das ein mögliches Investmentobjekt, weil es einen gesellschaftlichen Nutzen habe. 


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