„Es wird eine Konsolidierung im Legaltech-Bereich geben”
Helpcheck-Gründer und CEO Peer Schulz erklärt, warum das Start-up nun auch Fälle abseits von Lebensversicherungen annehmen will, wieso der Kampf um Kapital im Legal-Tech-Bereich schwierig ist und was der Sektor mit dem Highlander zu tun hat.
Es tut sich was in der Legaltech-Welt. Das “Gesetz zur Förderung verbrauchergerechter Angebote im Rechtsdienstleistungsmarkt”, kurz auch “Legaltech-Gesetz”, stärkt das Modell vieler Start-ups, die mit erfolgsbasierter Bezahlung arbeiten. Manch ein Gründer nutzt die Gelegenheit, um zu expandieren. Peer Schulz, Geschäftsführer von Helpcheck, will sein bisher auf Lebensversicherungen fokussiertes Geschäft nun um weitere Bereiche erweitern. Im Interview spricht er über Klagen großer Versicherungen, die Konsolidierung der Branche und erklärt, warum klassische Wagniskapitalgeber sich von der Branche eher fernhalten.
Herr Schulz, Sie sind kein Jurist, haben aber mit Helpcheck trotzdem ein Legaltechgegründet. Warum wagen Sie sich als Fachfremder auf dieses komplizierte Feld?
Entstanden ist die Idee, als ich einigen meiner Familienmitglieder mit ihren Lebensversicherungen helfen wollte. Konkret gab es ein Urteil des Bundesgerichtshofes, der darin feststellte, dass Millionen Lebensversicherungspolicen fehlerhaft waren. Für die Versicherungskunden gab es dann die Möglichkeit, sich Geld zurückzuholen. Das klang gut, aber ich habe dann schnell festgestellt, dass der Prozess sehr komplex und zeitaufwändig war.
Da haben Sie ein Geschäft gesehen.
Ich dachte mir, dass es ja wohl vielen Menschen so ähnlich gehen wird und habe entsprechend dann 2016 Helpcheck gestartet. Es gab damals bereits erste Legaltechs, zum Beispiel Flightright, die Verbraucher beim Durchsetzen von Ansprüchen gegen Fluglinien geholfen haben. Da habe ich mir überlegt, dass man das Konzept auch sehr gut auf Finanzverträge ummünzen könnte.
Versicherungen sind als Thema eher unsexy…
…ungefähr auf einem Niveau mit Steuerrecht…
…damit beschäftigt sich niemand gerne. Kommen überhaupt ausreichend Kunden zu ihnen?
Definitiv, gerade wenn es wieder öffentlichkeitswirksame Urteile gibt. Und gerade im vergangenen Jahr haben die Anfragen zugenommen. Menschen saßen zuhause, hatten Zeit, brauchten eventuell auch Geld. Da haben einige ihre Policen durchkämmt.
Nun ist bei weitem nicht jede Lebensversicherung fehlerhaft. Fechten Sie trotzdem jede durch, die an Sie herangetragen wird?
Nein, das tun wir nicht. Wir haben zwei vorgelagerte Prüfungen. Erst den – wie wir ihn nennen – „Initial Pre-Check“, bei dem wir einige Eckdaten abfragen, etwa das Abschlussjahr, den Vertragsstatus, aktuelle Beitragserhöhungen. Wenn die für uns darauf hindeuten, dass ein Fehler vorliegen könnte, dann können die Kunden uns ihre Unterlagen aushändigen. Dann prüfen wir genauer: Ist der Vertrag wirklich fehlerhaft? Und lohnt es sich finanzmathematisch, diesen Fehler vor Gericht zu bringen? Es sind übrigens knapp über 70 Prozent der von uns geprüften Verträge fehlerhaft. Unsere Partneranwälte nehmen sich dann des Falls an, wenn man uns verbindlich beauftragt. Wir nehmen uns dann im Erfolgsfall 25 Prozent des zusätzlichen Gewinns als Provision.
Bei den Versicherungen haben Sie sich in den vergangenen Jahren wahrscheinlich nicht beliebt gemacht.
Nicht unbedingt. Die Nürnberger Versicherung hat sogar versucht, uns das Geschäftsmodell zu untersagen. Damit sind sie erst kürzlich gescheitert. Aber insgesamt stellen wir fest: Die Einigungsquote ist deutlich höher als früher. In rund 50 Prozent der Fälle einigen wir uns mittlerweile außergerichtlich oder vor einem Urteilsspruch. Anfangs war das in gerade mal in fünf Prozent der Fälle so.
Sie wollen nun mit Helpcheck auch andere Rechtsthemen angehen, etwa Immobilienfinanzierungen oder Abfindungszahlungen. Treten Sie damit nicht in Konkurrenz zu anderen Start-ups in Ihrem Sektor?
Im Finanzvertragsbereich sind wir schon recht allein. Aber klar ist: Alle Wettbewerber verfolgen eine ähnliche Strategie, wir wollen alle gerne der One-Stop-Shop für Rechtsansprüche werden. Das heißt nicht, dass wir uns untereinander spinnefeind wären, mit vielen Legaltechs haben wir zum Beispiel einen durchaus freundlichen Austausch. Aber es wird langfristig eine Konsolidierung geben.
Wie bei „Highlander“: Es kann nur einen geben?
Das ist vielleicht etwas drastisch. Insgesamt werden sich jedoch einige Player herauskristallisieren.
Wird das zu einem Venture-Capital-Wettrüsten führen?
Legaltech ist per se nur bedingt ein klassischer Venture-Capital-Case. Wir und die meisten anderen Legaltechs haben alternative Finanzierungsmethoden.
Woran liegt das?
Da gibt es unterschiedliche Gründe. Anwaltskanzleien unterliegen in Deutschland einem Fremdbesitzverbot, Kapitalgeber dürfen sich an ihnen also nicht beteiligen. Das macht es je nach Konstruktion des Start-ups schwierig. Internationalisierung ist auch kompliziert, da sich die Rechtssysteme teils deutlich unterscheiden. Und auch der Customer Lifetime Value ist begrenzt: Eine mehrfache Monetarisierung ist schwierig. Insgesamt ist Legal Tech jedoch ein spannender Case für Investoren und es wird hier in Zukunft ein gewaltiges Wachstum geben – meiner Meinung nach fängt der „Day 1“ gerade erst so richtig an.
Also ist das Legaltech-Geschäft ein eher hartes Brot für Start-up-Unternehmer?
Das würde ich nicht sagen. Am Ende wollen wir doch primär Menschen dabei helfen, den Zugang zum Recht zu erhalten. Und das gelingt uns, davon bin ich überzeugt. Das habe ich vor fünf Jahren schon gemerkt, als ich den Kundensupport bei Helpcheck testweise noch selbst gemacht habe. Unsere Kunden freuen sich, wenn wir für Sie aus Ihrer alten Police, die seit Jahren im Schrank verstaubt, noch gutes Geld herausholen. Gerade um diese Zeit bekommen wir manchmal sogar Weihnachtsstollen von zufriedenen Kunden zugeschickt.
Zur Person: Peer Schulz ist Gründer und Managing Director von Helpcheck. Er hat die Firma 2016 gemeinsam mit Phil Sokowicz gegründet. Schulz ist außerdem einer der Mitgründer des Bundesverbands Legal Tech Deutschland, bis vor Kurzem war er dort auch Vorstandsmitglied. Vor seiner Zeit bei Helpcheck war er unter anderem bei Metro und BMW beschäftigt. Schulz hat BWL an der International School of Management und der ESCP Europe Business School studiert.
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