Warum niemand Scheinbeiräte braucht

Nach dem katastrophalen Positionspapier des BJDW wirft Bitpanda-CEO Eric Demuth in einem Gastbeitrag dem Gremium Arbeitsverweigerung vor, zerreißt die Selbstvermarktung von Gründenden über Instagram und TV in der Luft und bemängelt, dass viele intern eine autokratische Bubble aufgebaut haben.

Vermeintlich progressiv im Namen, extrem dumm im Output: Die „Junge Digitale Wirtschaft“ hat sich selbst abgeschafft. Völlig zurecht zieht die Öffentlichkeit über ihr Positionspapier her, das Ministerium löschte es von der Webseite, die Fachpresse ist hoch empört – und wir GründerInnen sind es noch viel mehr. Ja, ich bin richtig sauer, weil genau dieser Dilettantismus auf eine ganze Branche zurückfällt und dabei so unsäglich vorhersehbar war. 

Das Demokratieverständnis und die Werte des Beirats im Hinblick auf die freie Presse decken sich entweder in keinerlei Hinsicht mit 99% der Industrie, oder – falls das Papier tatsächlich nur von einem Mitglied verfasst wurde – es handelt sich hierbei schlichtweg um Arbeitsverweigerung der restlichen Mitglieder und ich frage mich, wie sie ihre Rolle und damit die einhergehende Verantwortung definieren. 

Denn schließlich man muss nicht einmal ins Detail gehen, um zu bemerken, dass die Rhetorik so gar nicht zu den Werten von Jungunternehmern passt, zumindest nicht deren die ich kenne. Orbán würde es hingegen gut gefallen.

Was wir aber nicht brauchen, sind Gremien mit Absegnern, Selbstbeweihräucherern und solchen, die frei nach dem Motto gehen: „Hauptsache der Name steht darunter“.

Eric Demuth, CEO Bitpanda

Nicht zu vergessen sei, dass die Berufung in politische Gremien natürlich als geschicktes Selbstmarketing-Tool dient, die Ernennung wird entsprechend beklatscht. Das gilt aus meiner Sicht nicht nur für die deutsche, sondern auch für die österreichische Szene. Dass es aus meiner Sicht auch anders geht, zeigt die Arbeit von etwa Christian Miele, der seit Jahren in der deutschen Startup-Szene unterwegs ist, quasi als Kopf der hiesigen Szene fungiert. 

Was wir aber nicht brauchen, sind Gremien mit Absegnern, Selbstbeweihräucherern und solchen, die frei nach dem Motto gehen: „Hauptsache der Name steht darunter“. Entweder man steckt Arbeit und Zeit rein – oder man lässt es bitteschön bleiben und übergibt anderen das Zepter. Statt lediglich durch große Instagram- und Fernsehauftritte aufzufallen, sollte man sich der Verantwortung bewusst sein, die man hat, wenn man die Politik berät. Denn plötzlich vertritt man eine ganze Industrie mit vielen Arbeitsplätzen und hat die Möglichkeit die Zukunft mitzugestalten.

Viele sind nicht mehr reflektiert genug, um zu erkennen, dass sie sich intern eine autokratische Bubble geschaffen haben.

Eric Demuth, Bitpanda-CEO

Fakt ist auch: Manch ein Gründer ist in seiner Selbstherrlichkeit allzu sehr aufgeblüht. Viele sind nicht mehr reflektiert genug, um zu erkennen, dass sie sich intern eine autokratische Bubble geschaffen haben. Innerhalb des eigenen Imperiums geht das bekanntlich besonders leicht. Und so kommt der eine oder andere gern mal auf die Idee, dass es in der restlichen Welt immer so laufen sollte wie in der eigenen Firma – also vor allem ohne Widerworte und frei von kritischen Reflexionen. Das Zepter hoch, die Nase noch viel höher. Es erstaunt mich daher nicht mehr, dass viele GründerInnen mit jener Öffentlichkeit fremdeln und den Unterschied zwischen Selbstinszenierung (PR) und Journalismus (kritischer Berichterstattung) schlichtweg verlernt haben. 

Aber man muss schon komplett desillusioniert sein, wenn man meint, Einfluss auf die Pressefreiheit ausüben zu wollen. In Zeiten von Rechtspopulisten und Faschisten, die stets versuchen andere Meinungen und damit die freie Presse zu diskreditieren und als Lügner darzustellen, weil der Inhalt und Fakten ihrer eigenen kleingeistigen Ideologie nicht passt, sind solche Forderungen von vermeintlichen Vordenkern ein absoluter Skandal und brandgefährlich. Wir müssen im Gegenteil die freie Presse stärken und damit unsere Demokratie stützen.

Wer sich abfeiern lassen kann, der sollte sich allen voran auch in den Wind stellen können.

Eric Demuth, Bitpanda-CEO

Apropos kritische Berichterstattung: Ist es denn wirklich so verwunderlich, dass es kritische Auseinandersetzungen gibt, wenn Unternehmen, ohne jemals einen Cent verdient zu haben, für Milliarden an die Börse gehen? Oder wenn in kürzester Zeit enorme Summen in junge Unternehmen fließen (wie es auch bei meiner Firma der Fall ist)? Es ist doch absolut logisch, dass das nicht nur beklatscht wird. Das ist alles sehr neu, für viele nicht nachvollziehbar. Aber statt transparent zu sein, die Gesellschaft abzuholen, das eigene Geschäftsmodell und die Vision einfach zu erklären, soll stattdessen lieber ganz bequem die kritischen Fragen weniger werden? Sorry, aber das gehört zu unserem Job dazu. Wer sich abfeiern lassen kann, der sollte sich allen voran auch in den Wind stellen können.

Nicht zuletzt ist die Schuldzuweisung an Dritte – ergo „den Medien“ – aus Verzweiflung geboren. Sie schreibt sich natürlich einfacher als konkrete Handlungsvorschläge für die Politik. Fakt ist, wir hinken massiv hinterher, ob in Österreich, Deutschland oder Europa. Bis dato sind die meisten Start-ups nicht wegen der Politik, sondern trotz der Politik erfolgreich. Was gänzlich fehlt, ist das Bewusstsein der Politik, dass die junge digitale Industrie das Steckenpferd für die nächsten Jahrzehnte ist. Kalifornien hat vieles richtig gemacht, während hierzulande Anreize zu kurz gekommen sind. Dieser Status Quo lässt sich nur noch als kritisch bezeichnen.

Alles geht, viel muss – vor allem ohne Scheingremien, aber bitte mit kritischer Öffentlichkeit.


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