Ein Start-up mitten in der Grauzone

Lars Müller will mit Synbiotic den jungen Markt für Cannabinoide erschließen. Das erfordert vor allem Durchhaltevermögen.

Lars Müller kann nicht anders, als kurz aufzustöhnen, wenn er gefragt wird, wie viel Überzeugungsarbeit er bei den Behörden für sein Start-up leisten muss. Müller wendet kurz den Blick von der Kamera seines Laptops ab und schaut an die Decke, dann sagt er: „Auf einer Skala von eins bis zehn ist es wohl eher eine elf.“ Denn trotz zahlreicher Diskussionen sei noch immer vieles, was sein Start-up macht, in der Grauzone. „Ich habe häufig Kontakt mit den Lebensmittelämtern. Die denken, wir verkaufen Drogen im Internet“, sagt er.

Der Grund für das Misstrauen: Seine Firma Synbiotic stellt Produkte aus Cannabinoiden her, was schnell nach Cannabis und Kiffen klingt, auch wenn er auf ganz anderen Pfaden unterwegs ist. Nahrungsergänzungsmittel produziert er – und genau das bedeutet für ihn einen stetigen Kampf, mit Anwälten gegen Behörden. „Im Wesentlichen schreiben die uns böse Briefe und wir schreiben böse Briefe zurück.“ Inzwischen sei seine Anwaltsmannschaft da immerhin sehr gut aufgestellt. Für den Gründer ist es aber auch ein Kampf gegen politisch festgefahrene Ansichten und um die Akzeptanz der Bevölkerung – denn genau die soll ja einmal Müllers potenzieller Kunde werden.

Mit der Synbiotic SE will Müller ein europaweites Cannabinoide-Imperium aufbauen, oder wie er es ausdrückt: „Wir wollen der führende Anbieter für sämtliche aus Cannabinoiden bestehende Produkte in Europa werden.“ Dazu ist erstmal viel Aufklärungsarbeit gefragt. Zu oft werden die Begriffe, Cannabinoide, Cannabis, THC und CBD durcheinander gebracht: Cannabinoide gibt es in vielen Pflanzen, nicht nur in Hanf. Das bekannteste Cannabinoid ist wohl THC, schon allein wegen seiner berauschenden Wirkung. Ein weiteres Cannabinoid ist CBD, das bei Krämpfen und Entzündungen helfen kann. Aber auch in Kakaobohnen oder Hopfen stecken zum Beispiel Cannabinoide, die keine berauschende Wirkung haben. Auf die hat es Müller abgesehen.

Ein prominenter Investor ist bereits an Bord

Die Forschung ist bei dem Thema noch am Anfang, es gilt, viel Pionierarbeit zu leisten. Lars Müller ist jedoch bereits überzeugt: Die daraus herstellbaren pflanzlichen Produkte seien einigen chemischen weit überlegen. Er will deshalb immer weitere Anwendungsmöglichkeiten finden, immer mehr Pflanzen dafür nutzen. Nur, wie kommt er dazu? 

Es ist inzwischen vier Jahre her, da wurde Lars Müller einer der damals wenigen Cannabispatienten in Deutschland. Weil er an bronchialem Asthma litt, durfte er Cannabis als Medizin verwenden. Einfach war es lange Zeit nicht, an die passenden Rezepte zu kommen. „Die Ärzte haben damals ganz genau hingeschaut“, erinnert er sich. Heute gibt es in Deutschland schätzungsweise gut 100.000 Cannabis-Patienten. Eine offizielle Statistik gibt es nicht, doch gilt die Bundesrepublik damit bereits als Vorreiter im europaweiten Vergleich. 

Wenn andere unbedingt von THC stoned sein wollen, dann ist das deren Diskussion. Meine Aufgabe ist es, Cannabinoide zu finden, die eine gute Wirkung haben, aber eben einen nicht benebeln.

Synbiotic-CEO Lars Müller

Durch diese Zeit wurde Müllers Interesse an Cannabinoiden endgültig angefacht. 2018 kaufte er mit der von ihm gegründeten Solidmind Group GmbH die damals kleine Marke Hempamed. Seitdem produziert und vertreibt er verschiedene aus der Cannabispflanze hergestellte Öle, Kapseln oder Pastillen. Die Öle gelten dabei als entzündungshemmend und entkrampfend, CBD-Kapseln sollen wohltuend für den Körper sein und die Pastillen neben CBD auch Vitamin C oder B6 enthalten.

Seit vergangenem Sommer ist Müllers Solidmind Group GmbH Teil der Synbiotic SE und damit an der Börse. Bis dahin war Synbiotic nur eine leere Hülle, ohne operatives Geschäft. Hinter dem börsengelisteten Unternehmen steckt der prominente Investor Christian Angermayer und der machte nach der Übernahme Lars Müller gleich zum CEO. „Wir halten weltweit nach spannenden Unternehmen Ausschau, wollen dort zukaufen, wo es passt oder entwickeln die nächsten Produkte gleich selber“, beschreibt Müller das langfristige Ziel des Unternehmens.

Die Politik muss mitspielen

Bisher besteht die Synbiotic SE zu einem Großteil aus der übernommenen Solidmind Group GmbH. Laut einem Wertpapierprospekt vom 01. Dezember 2020 hält sie zudem 50,004 Prozent der Anteile an der Cannexo Pharma GmbH und 25 Prozent an der Pharmaceuticals Limited. Die Cannexo GmbH soll später ein B2B-Vehikel für alle Marken aus der Synbiotic-Welt werden. Bisher arbeitet die Firma aber noch unter dem Radar. Die bereits 1989 gegründete Pharmaceuticals Limited produziert unter anderem Produkte im Bereich Hautpflege.

Für viele Gründer stellt der Schritt an die Börse den Exit dar, für Müller ist es erst der Anfang. „Als börsengelistetes Unternehmen müssen wir uns zwar einigen Regularien stellen, aber wir haben auch eine ganz andere Zugkraft“, sagt er. So konnte er mittels einer Kapitalerhöhung im Dezember 6,4 Millionen Euro einnehmen. Seine SE ist mittlerweile im Primärmarkt der Düsseldorfer Börse, an der Frankfurter Börse und auf dem Handelsplatz Xetra gelistet. 

Kann Müllers Plan aufgehen? Zuletzt spielten immerhin Politik und Justiz mit – zumindest ein wenig: Die UN-Kommission entschloss sich Cannabis von der Liste der gefährlichsten Drogen zu streichen und der Europäische Gerichtshof urteilte, dass es sich bei CBD nicht um ein Betäubungsmittel handelt. „Diese Entscheidungen eröffnen uns die Chance, unsere Mission noch weiter zu verfolgen“, sagt Müller, der sich eigentlich nicht in die politischen Diskussionen einmischen möchte. Denn die drehe sich häufig um das Cannabinoid THC. „Wenn andere unbedingt von THC stoned sein wollen, dann ist das deren Diskussion. Meine Aufgabe ist es, Cannabinoide zu finden, die eine gute Wirkung haben, aber eben einen nicht benebeln.“ 

Müller spricht deshalb lieber über einen Multi-Milliardenmarkt, an dem er mit der Synbiotic SE einen möglichst großen Anteil haben möchte. „Wir haben in Europa gut 750 Millionen Menschen, 150 Millionen von ihnen leiden unter Schlafproblemen, 120 Millionen klagen regelmäßig über Schmerzen und bis zu 80 Millionen leiden unter Angststörungen.“ Lassen sich diese Menschen eines Tages mit einem auf Cannabinoiden aufbauenden Produkt behandeln, statt wie bisher mit chemischen Medikamenten, geht Müllers Kalkül womöglich auf: Seine Firma könnte dann viel Geld verdienen und Cannabinoide kämen endgültig raus aus der Grauzone.


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