„Die Gründerinnen fehlen“

Bettina Engert hat geholfen, Flixbus groß zu machen, war beim Venture-Capital-Geber Acton Capital und hat nun bei der Non-Profit-Organisation Startup Teens angefangen. Ein Gespräch über die Berufswünsche junger Mädchen, Lust aufs Gründen, Verzicht auf dicke Gehälter und was all das mit TikTok zu tun hat.

Startup Teens will die Jugendlichen über ihre eigenen Kanäle erreichen. Die neue Chefin, Bettina Engert, lässt sich deshalb gerade TikTok erklären und hat auch schon ein erstes Video produziert. An Plänen mangelt es Engert derweil nicht, besonders nicht, wenn es um ihr Herzensthema geht: die Förderung von jungen Mädchen.

Frau Engert, Sie haben für Startup Teens einen Job bei Acton Capital aufgegeben. Warum denn das? 

Das haben mich viele gefragt, auch, wie ich das Geld ausschlagen könne, um zum Non-Profit zu wechseln. Ich hatte bei Acton Capital natürlich einen ziemlich sicheren Job, ein extrem gutes Gehalt und habe mit wirklich spannenden Companies gearbeitet. Aber wir bemängeln in Deutschland ständig, dass wir zu wenige Gründerinnen haben und dass sich Frauen keine Führung zutrauen. Das habe ich immer beobachtet, früher bei Flixbus, später bei Acton, nur stand ich da primär irgendwie an der Seitenlinie. Bei Startup Teens kann ich selbst gestalten und darauf direkten Einfluss nehmen.

Das Phänomen bedauert die Szene schon länger, es tut sich aber wenig. Liegt das Problem bei den Geldgebern, die seltener auf Frauen setzen? 

Das glaube ich nicht. Es gibt Initiativen bei allen großen Venture-Capital-Fonds, wie man in mehr Gründerinnen investieren könnte. Denn der Wille ist da, Diversität zu fördern und Frauen in Positionen an die Spitze zu bringen. Aber die Gründerinnen fehlen! Dabei gibt es auch strukturelle Probleme wie fehlende Kinderbetreuung, die junge Frauen davon abhalten. Viel schlimmer ist jedoch: Vielen jungen Mädels fehlt das Selbstbewusstsein, Ideen auf eigene Faust umzusetzen. Und ich sage ganz bewusst Mädels, nicht Frauen, weil es da auch ums Alter geht. Wenn sich junge Frauen schon fürs Studium angemeldet haben, bekommt man sie kaum noch dazu, sich später selbstständig zu machen und ins kalte Wasser zu springen. Diese Veränderung der eigenen Einstellung, dass Unternehmertum und Selbermachen eine Alternative  zum Angestelltendasein sein kann, muss früher passieren, spätestens im Teenager-Alter.

Die meisten Jugendlichen sind wohl über TikTok zu erreichen. Haben Sie einen Account? 

Ich muss sagen, ich war schon bei Instagram raus und habe bei TikTok drei Follower. Ich habe schon immer lieber Texte gelesen und bin einer der merkwürdigen Menschen, die sich noch physisch Bücher aus der Bibliothek ausleihen. Aber es hilft ja nichts. Wenn an die Kids nur darüber erreicht, muss ich mich auch mit den Kanälen auseinandersetzen. Ich habe für unsere nächste Startup Teens-Challenge mein erstes Video gedreht und zwei 14-jährigen Mädels geben mir gerade ein paar TikTok-Tipps. 

Startup Teens will Teenagern dazu begeistern, selbst Probleme zu lösen, beispielsweise mit Hilfe von Coding.

Erreicht man über soziale Medien denn die, die sich auch für Gründungen und alles was damit zu tun hat, interessieren? 

Es geht gar nicht anders. Wir haben zwei Zielgruppen: Die einen interessieren sich sowieso für Startups, sind auf unserem Youtube-Kanal aktiv und tauschen sich da auch aus. Die anderen kennen uns noch nicht, haben mit Coding noch nichts am Hut, die muss man auf ihren Kanälen abholen. Wenn sie sowieso eine Stunde am Tag auf TikTok verbringen, dann sollten sie dabei im besten Fall etwas Sinnvolles lernen oder neugierig werden auf die Möglichkeiten, die wir anbieten, statt sich das zehnte Video eines Fitness-Influencers anzuschauen. Es gibt da so viel mehr zu lernen und das kann jeder entdecken, unabhängig davon, ob der Vater Unternehmer ist oder die Mutter besonders technikaffin. 

Wie erfolgreich sind da die Versuche von Startup Teens auf Plattformen wie TikTok?

Ziemlich erfolgreich. Unsere letzte Challenge #CEOofLife hatte mit Teilnehmerinnen und Teilnehmern wie Lea-Sophie Cramer, Daniel Krauss oder Florian Heinemann über 35 Millionen Aufrufe. Wenn auch nur ein Bruchteil auf Startup Teens und unsere Inhalte aufmerksam wurde, haben wir schon viel erreicht. Im zweiten und dritten Schritt wollen wir sie dann dabei begleiten, ihre Ideen zu präsentieren, sie zu entwickeln und ihnen dafür die richtigen Werkzeuge an die Hand geben. Wir haben beispielsweise eine 14-Jährige, die eine Plattform gebaut hat, mit der Schiedsrichter im Jugendfußball neutraler ausgesucht werden. Das ist doch der Hammer! Wobei sie da eher eine Ausnahme ist. 

Foto: Spotlights Plattform

Wir brauchen vor allen Dingen reale Vorbilder. Es hilft keinem Mädchen, wenn es den Twitteraccount von Elon Musk liest, das ist viel zu weit von ihrer Lebensrealität entfernt.

Bettina Engert, CEO Startup Teens

Wie meinen Sie das? 

Viele der Mädchen, die sich für die jährliche Startup Teens-Challenge bewerben, sind häufig noch zögerlich, Ideen eigenständig umzusetzen. Die Jungs treten oft alleine an, die Mädchen hingegen eher im Team. 

Ist es also schwieriger, junge Frauen zu begeistern? 

Ich glaube, wenn sie Blut geleckt haben, dann nicht. Das war ja bei mir auch so: Mit 14 Jahren wollte ich Tierärztin werden. Dann war ich mit dem Abi fertig und nach zwei Praktika inklusive drei besamter Kühen habe ich gemerkt: ‚das ist es nicht‘. Dass ich dann im Start-up-Bereich gelandet bin, war eher Zufall, weil mein Bruder für Flixbus im Familien- und Freundeskreis rekrutiert hat. Ich glaube, das war am Ende für beide Seiten nicht schlecht, aber sonst würde ich heute wohl was ganz anderes machen. 

Was braucht es, um mehr Mädchen und Frauen zu begeistern? 

Wir brauchen vor allen Dingen reale Vorbilder. Es hilft keinem Mädchen, wenn es den Twitteraccount von Elon Musk liest, das ist viel zu weit von ihrer Lebensrealität entfernt. Es braucht nahbare Frauen, realistische Vorbilder, die es in den sozialen Medien oder auf Veranstaltungen sieht, denen es auch konkrete Fragen stellen kann. Darum bemühen wir uns aktuell zum Beispiel in den regionalen Live-Streas. 

Wollen Sie am Ende alle, die zu Startup Teens kommen, eigentlich zu Unternehmerinnen machen? 

Die meisten Teenager, mit denen wir arbeiten, sind 14 bis 19 Jahre alt. Da geht es nicht darum, eine Geschäftsidee zu skalieren, um das große Geld zu verdienen und das wollen wir auch nicht vermitteln. Wir möchten, dass Jugendliche lernen, selbstständig zu denken, dass sie die nötigen Skills lernen, beispielsweise zu Programmierern und dann zu aktiven Problemlösern werden. Ob sie das dann in einer eigenen Firma, als Angestellte oder im Familienunternehmen anwenden, ist erst einmal zweitrangig. 

Vielen Dank für das Gespräch.

zur Person: Bettina Engert (36) ist seit 2021 Geschäftsführerin der Startup Teens GmbH und stellvertretende Vorsitzende des Startup Teens Netzwerk e.V.  Sie hat gemeinsam mit den Flixbus-Gründern ein Unternehmen von der Idee bis hin zum internationalen Mobilitätsanbieter aufgebaut. Zuletzt beriet sie beim Münchner VC-Investor Acton Capital Startups weltweit beim Markenaufbau.

zum Unternehmen: Startup Teens ist eine im Jahr 2015 gegründete Non-Profit-Initative, die Schülerinnen und Schülern zwischen 14 und 19 Jahren unternehmerisches Denken und Handeln sowie Coding beibringt. Startup Teens betreibt den reichweitenstärksten YouTube-Kanal für Entrepreneurship Education für Jugendliche in Deutschland. Im Mentoren-Programm unterstützen fast 1.000 bekannte Persönlichkeiten Teenager dabei, ihre Ideen umzusetzen.


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