„Nachhaltige Start-ups sind krisenfester“

Tina Dreimann investiert als Business Angel in Impact-Start-ups. Im Interview spricht sie über das aktuelle Investitionsklima und fordert Investoren sowie Gründer auf, mutig zu bleiben.

Es gab eine Zeit, da hat Tina Dreimann sich während ihres Studiums um Schildkröten in Costa Rica gekümmert. Dann ging sie zur Unternehmensberatung Bain & Company. Erst danach ging es für sie in die Start-up-Welt. Heute ist die 40 Jahre alte Investorin und konzentriert sich auf Impact-Start-ups. Im Nachhinein hätten sie all Ihre bisherigen Stationen auf diese Rolle als Business Angel vorbereitet, sagt sie.

Frau Dreimann, inzwischen gibt es fast täglich Meldungen von Start-ups deren Bewertungen einbrechen und von jungen Unternehmen, die Mitarbeiter entlassen müssen. Es gibt Start-up-Vertreter, die angesichts dessen von einer Krise sprechen, andere sehen lediglich eine Normalisierung des Marktes. Wie sehen Sie es? 

Tina Dreimann: Ich bin der Meinung, dass wir von einer Krise noch weit entfernt sind. Wir können sie allenfalls herbeireden und selbst schaffen, wenn wir jetzt zögern. Es gibt allerdings einige Kriterien, die nun bei Investments wieder wichtiger werden. Und ich bin überzeugt: Das Geld ist weiterhin da. Um die guten Start-ups werden wir uns weiter strecken müssen. 

Welche wären das? 

Gründerinnen und Gründer sollten hinterfragen, ob sie ein relevantes Geschäftsmodell haben, das zudem auch in makroökonomischen Krisen lebensfähig ist und sie sollten – das kann ich gar nicht stark genug betonen – ein gutes Team haben. 

Was macht denn Ihrer Meinung nach ein gutes Team aus? 

Das Team muss Leidenschaft haben. Es gibt den Spruch „Passion beats Experience” und da ist viel dran, finde ich. Es braucht einen Gründer oder eine Gründerin, die Menschen mitreißen kann. Die Person muss Investoren, Mitarbeiter und Kunden überzeugen können. Und das Team muss natürlich in der Lage sein, ein erfolgreiches Geschäftsmodell entwickeln zu können.

Aber das sind doch alles Kriterien, die VCs schon seit Jahren aufrufen. Man stelle sich mal das Gegenteil vor: Wer will schon in ein schlechtes Team und nicht überlebensfähige Geschäftsmodelle investieren?

Das mag sein, aber die Frage ist doch, ob sie sich an diese Kriterien in der Vergangenheit wirklich gehalten haben. Es hat darüber hinaus zuletzt auch mehr unerfahrene Investoren gegeben, die Bewertungen von Start-ups hochgetrieben haben. Die werden angesichts der aktuellen Stimmung nun vorsichtiger. Ich kann mit Blick auf unseren Angels Club feststellen, dass wir unsere Anlagekriterien in diesem Jahr nicht ändern mussten. In unserer Due Diligence sind gut 60 Investmentkriterien. Das Einzige, was wir nun machen: Wir schauen noch stärker auf die Überlebensfähigkeiten in makroökonomischen Krisen. 

Von Ihren Mitgliedern ist niemand derzeit verunsichert?

Wir haben dazu gerade erst eine Umfrage gemacht. Schon als Russland den Krieg in der Ukraine begonnen hat, gaben die meisten bei uns an, keine Auswirkungen für ihre Investitionen zu sehen. Es haben sich drei Gruppen kristallisiert. 16 Prozent gaben an, doch zurückhaltender sein zu wollen. 71 Prozent ändern nichts und 13 Prozent haben sogar eine Jetzt-Erst-Recht-Mentalität. 

Sie gehören selbst zur Gruppe Drei? 

Ja, gerade durch meine Rolle als Impact-Investorin, bin ich der Meinung, dass uns bei einigen Themen die Zeit wegläuft. Wir dürfen jetzt einfach nicht zögern. Wir haben massig Probleme: die Klimakrise, der Rückgang der Biodiversität, Gesundheitsthemen, auch Bildung für eine besser Zukunft. Das meine ich übrigens auch mit relevanten Geschäftsmodellen: Start-ups sind bestens geeignet, die Probleme unserer Zeit zu lösen. Sie sind wendiger als große Unternehmen, oder Behörden. Und genau dieser Probleme sollten sich Gründerinnen und Gründer annehmen.

 Sind nachhaltige Start-ups krisenfester? 

Ja, wenn ein lebensfähiges Geschäftsmodell dahintersteht, kein philanthropisches. Wir als Investoren wollen ja Wirtschaftlichkeit mit Impact vereinbaren. Zu lebensfähig gehört für mich auch, dass Gründer ihre Zahlen im Griff haben. Sie müssen wissen, wo ihr Geld herkommt und wofür sie es ausgeben. Dann können sie in Krisenzeiten auch an den richtigen Stellschrauben drehen, etwa um ihre Burn Rate, also die Zeit, bis ihnen das Geld ausgeht, zu verlängern. Das mag zwar banal klingen, aber erschreckend viele Gründer haben damit ihre Schwierigkeiten. 

Vielen Dank für das Gespräch.

Zur Person: Tina Dreimann arbeitete fünf Jahre lang bei der Unternehmensberatung Bain & Company, bevor es sie in die Start-up-Welt zog. Zuerst ging sie zu Friendscout24. Später stieg sie als Business und Agile Coach bei der Kartenmacherei ein. 2019 wurde sie Mitgründerin des Business-Angel-Netzwerks Better Ventures. 


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