Start-up-Strategie: Die Politik hat die finanziell Schwachen vergessen

Die Bundesregierung stellt stolz ihre Start-up-Strategie vor, mit der sie es Gründerinnen und Gründern leichter machen will, ein Unternehmen aufzuziehen. Doch an einer Stelle greift die deutlich zu kurz.

Die Bundesregierung hat eine eigene Strategie vorgestellt, um Start-ups in Deutschland besser zu fördern. Das ist an sich ja schön und gut, blöd ist nur, dass sie einen elementaren Fehler darin gemacht hat. Aber erstmal zu den Fakten: In der Strategie heißt es von der Bundesregierung, dass sie mehr Diversität in der Start-up-Welt wollen. Dann zählt das Bundeswirtschaftsministerium brav einige Fakten auf, in denen es vor allen Dingen darum geht, dass wir zu wenige Frauen in Start-ups haben, zu wenige Frauen unter den Investorinnen haben und ja, sogar zu wenig Frauen unter den Verantwortlichen in den Förderprogrammen haben. Das gleiche gelte mehr oder minder für Migrantinnen und Migranten. Und all dem kann der geneigte Leser und kann die geneigte Leserin mit Blick auf die Szene nur wohlwollend zustimmen, nicken und sich denken: Ja, genau so ist es. Es folgt der Maßnahmenkatalog, der die Förderung von Frauen durch allerlei Programme vorsieht, dazu der Versuch, Parität bei Investmentkomitees zu schaffen, so wie die Vereinbarkeit von Familie und Gründung zu erleichtern (das nur als Auszug, den ganzen Katalog gibt es hier).

Die Bundesregierung hat Diversität nicht verstanden

Das Problem an dieser Strategie: Die Bundesregierung fasst das Thema Diversität viel zu klein. Frauen sollen gefördert werden, Frauen sollen in Investmentkommitees, Frauen sollen Familie und Beruf vereinbaren und ja, Migrantinnen und Migranten auch irgendwo. Diversität in einem Start-up oder sogar in einer ganzen Branche herzustellen, geht aber weit über Zuwanderung und Frauenanteile hinaus. Eine Gründerin hat mir gegenüber einmal gesagt: Es ist ärgerlich, wenn alle in einem Start-up Büro weiße Männer mit weißen Sneaker Mitte 20 sind. Aber es wäre nicht besser, wenn dort die Hälfte Frauen wären, die in weißen Sneakern daneben stehen würden. Die Sneaker sind hier natürlich nur eine Metapher, mit der sie ausdrücken wollte: Es bringt überhaupt nichts, Diversität nur auf einen ausgeglichenen Anteil von Frauen und Männer zu reduzieren.

Diversität bedeutet, unterschiedliche Erfahrungen aus unterschiedlichen Kulturkreisen und vielleicht auch unterschiedlichen Altersgruppen zusammenzubringen. Was ist mit den Ideen von älteren Menschen? Was ist mit dem Input, den Minderheiten abseits von Migranten geben können? Und vor allen Dingen: Was ist mit den Start-up-Ideen, die von Menschen aus prekären Verhältnissen kommen, die nicht zur Universität gehen und bei denen die Eltern vorher nicht schon drei Seminare zur Unternehmensgründung bezahlt haben? Die Bundesregierung hat all diese Gruppen vergessen, wovon die der finanziell schwachen Menschen die fatalste ist. Denn bis heute gibt es zwar viele Start-ups, doch nur wenige beschäftigen sich mit Problemen wie Armut, Sozialstaat oder Hunger.

Projekte und Programme für finanziell schwache Menschen fehlen

Es gibt hunderte Bankingapps für hippe Großstädter, aber keine, die meinen Hartz-4-Antrag ausfüllt. Es gibt hunderte schicke E-Commerce-Lösungen, aber kaum eine für die Vermittlung von Altkleidern. Und diese Liste ließe sich vermutlich nahezu endlos so weiterführen. Sie zeigt aber schon in der Kürze: Niemand wird sich um diese (teils drängenden) Probleme kümmern, wenn nicht mehr Menschen, die diese überhaupt kennen, es in die Start-up- und Unternehmerwelt schaffen. Dafür braucht es aber ganz andere Fördermöglichkeiten, die bereits in den Schulen ansetzen, nicht nur auf dem Gymnasium, sondern auch auf Realschulen, Gesamtschulen und Hauptschulen. Die Bundesregierung verspricht, dass es tolle Förderungen von Professorinnen und ihren Studierenden geben soll, aber vergisst, dass ganz unabhängig vom Geschlecht womöglich jemand eine viel bessere Idee hat, aber es einfach nie bis an die Universität geschafft hat – weil das Geld fehlt, weil die Bildung fehlt, weil die Förderung und der Glaube an ihn oder sie fehlt. Hier hat die Bundesregierung einen großen Hebel verpasst.


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